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Und
hier der Bericht ohne Fotos als PDF-File (171 KB)
Ferrara. Was kommt uns bei diesem Wort in den Sinn? Rot? Flach? Schnell?
Schuhmacher? Weit gefehlt: es heisst FerrarA und nicht FerrarI! Wir
sind diesmal ohne Velos unterwegs und noch dazu semi-geschäftlich:
ich bin nämlich eingeladen worden, an der Ausstellung "Landscapes"
im Castello Estense in Ferrara teilzunehmen. Und da ich irgendwie
meine Bilder anliefern muss und eine Sendung mit dem Kurierdienst
nicht wirklich als Schnäppchen gilt, haben wir uns zu einem viertägigen
Kurzurlaub in der Gegend entschlossen. Das gibt mir ausserdem noch
die Gelegenheit, in Ruhe mit Paola, der Organisatorin der Ausstellung,
ein paar Worte zu wechseln, denn bei der Vernissage Ende Oktober wird
wohl höchstens ein bisschen Small-Talk möglich sein - wenn
überhaupt! Zudem präsentiert sich Ferrara im Internet auch
als interessantes Städtchen, ist sogar von der UNESCO zum Weltkulturerbe
gekürt, wenn ich richtig gelesen habe.
Paolas Galerie
und das Hotel
Suite Duomo scheinen wohl irgendwie zusammen zu gehören,
jedenfalls ist Paola recht darauf erpicht, uns dort unterzubringen.
Uns soll es recht sein, denn das Hotel liegt im Stadtzentrum, direkt
neben dem Dom, und die Bilder von der Website sind recht vielversprechend.
Allerdings kann ich via Internet kein Hotelzimmer dort reservieren,
weil alles ausgebucht ist - es findet irgendeine Messe in Bologna
statt. Erst durch Paolas Intervention gibt es dann doch noch eine
Unterkunftsmöglichkeit für uns.
Na dann... |
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Montag,
10. Oktober 2005
Aufbruch im Morgengrauen. Taxi zum Zürcher Hauptbahnhof.
Wider Erwarten lassen sich die beiden grossen Bilder ganz gut
transportieren. Unser Zug heisst "Cisalpino" und steht
schon auf dem Bahnsteig bereit, so dass wir gleich einchecken
und die üblichen Szenen beobachten können: Ein rüstiger
Greis versorgt zwei auch nicht mehr so ganz junge Frauen im Abteil,
kümmert sich um ihr Gepäck und wartet dann draussen
auf dem Bahnsteig auf die Abfahrt des Zuges. Zwei Meter weiter
verabschiedet sich ein junges Paar äusserst tränenreich,
während eine junge Frau mit Kinderwagen, die wohl irgendwie
zu dem jungen Paar gehört, völlig teilnahmslos vor sich
hinstarrt. Als wir losfahren, läuft der ältere Herr
von vorhin noch eine Weile mit jugendlichem Elan winkend neben
dem Zug her. Mir scheint, der ist verliebt!
Es ist ein Nebelmorgen und während sich der Zug aus dem Gleiswirrwarr
des Zürcher Hauptbahnhofes herausarbeitet, ist es Zeit, sich
bequem einzurichten, Proviant in Sichtweite vor sich zu plazieren,
ein Buch aufzuschlagen. Bin wieder mal bei "Weltsichten"
von Brümmer
und Glöckner angelangt. Den Reisebericht lese ich
nun schon zum x-ten Male und hole mir dabei regelmässig Appetit
für meine eigenen Reisen, auch wenn es mich nicht so lange
und so weit weg zieht. Und wenn ich ehrlich bin, würde ich
in dieser Woche lieber eine Velotour unternehmen, zumal die Sonne
nun allmählich am Nebelmeer leckt und immer mehr durch die
Wolkendecke dringt und das prophezeite schöne Wetter wie
geschaffen für einen Veloreise scheint. Aber nun steht eben
eine Städtereise auf dem Programm - mal was anderes.
Am Zuger und am Urner See vorbei
und längst begrenzen steile Bergwände den Blick. Dieser,
also der Blick, fällt jedoch nicht nur auf die majestätische
Welt der Alpen, sondern auch auf die Vergewaltigung dieser Gegend
durch uns Menschen. Bagger, Baustellen, die vielen Trassen der
Verkehrswege. Das Netz der Stromleitungen, Betonrampen, Schneisen
im Bergwald, Stahl und Eisen. Liegt es nur an meiner Höhenangst
und dass ich deswegen einen weiten Bogen um die alpine Welt mache,
dass mir dieser Raubbau so aufstösst? Bin ich angesichts
des Missbrauches der Bergwelt deswegen emotionell vorbelastet?
Wann immer ich zum Beispiel Berichte über den momentanen
Fortschritt des Gotthard-Basis-Tunnels lese/höre...es wird
mir immer so sonderbar weh zu Mute, wenn ich mir vorstelle, wie
dort unten im Bauch des Berges gegraben wird. Ich hab eine Meise?
Meinetwegen.
Eintauchen in den Gotthardtunnel, auftauchen in Airolo. Nebel
am Luganer See. Grenzkontrolle. Die Polizia, eine Frau und ein
Mann stark, patroulliert Ausweis kontrollierend durch die Waggons.
Als die Tür der besetzten Toilette nicht sofort geöffnet
wird, öffnet die Polizeibeamtin kurzerhand von aussen die
verschlossene Tür mit einem Spezialschlüssel. Also bitte!
Das würd' ich mir dann doch noch verbitten: wenigstens sein
Geschäft will man doch in Ruhe verrichten können!
Milano. Riesige gusseiserne Bahnhofshalle und ein schlaftrunkener
Fahrer des Rangiermobils, mit dem auf den Bahnsteigen Schwergewichtiges
verschoben wird. Ein Zug fährt am Bahnsteig gegenüber
ein und von den aussteigenden Gästen haben die meisten Sonnenbrillen
an. Bei dem Wetter? Immerhin weiss ich jetzt, was grad diesbezüglich
angesagt ist und was sich die Brillendesigner wieder mal haben
einfallen lassen. Ist doch auch schon was wert...
Po-Ebene. Don-Camillo-und-Peppone-Land. Flach ist es. Abgeerntete
Felder, dazwischen die dazu gehörigen Gehöfte. Kleine
Pappelwäldchen. Nicht gerade aufregend. Immerhin scheint
in Bologna die Sonne und die Nebel haben sich gelichtet. Umsteigen
in den Regionalexpress und noch eine halbe Stunde durchhalten
bis Ferrara. Taxi zum Hotel. Dort bekommen wir eine Suite zugewiesen,
die so gross wie unsere Zürcher Wohnung ist: Schlafzimmer,
Badezimmer, Toilette, grosses Wohnzimmer, Ankleidezimmer und ein
Flur. Da muss man erstmal kräftig schlucken - zumal das alles
für den Preis eines Doppelzimmers zu haben ist. Der Blick
aus dem Fenster fällt auf die Fassade des Domes...welch ein
Kulturschock: vor ein paar Stunden im nebligen Zürich gestartet
und jetzt diese Piazza hier im milden Nachmittagslicht! Auf eine
Siesta verzichten wir jetzt erstmal. Raus hier! Erkundungsgang!
Soviel Italien so ganz plötzlich! Wie geht man nun damit
um, was setzt man der in Jahrhunderten gewachsenen Stadt entgegen,
was wäre ein aktzeptabler Gegenpol, eine auffällige
Zäsur? Richtig: Pommes und Chicken McNuggets im Restaurant
einer bekannten Fast Food-Kette! Genau, das ist es! Und wirklich
das Erste, was wir hier unternehmen, ist ein Gang zu McDonald's,
denn unsere Mägen knurren uns dermassen gefährlich an,
dass an ein beschauliches Suchen einer anderer Verpflegungsstätte
gar nicht zu denken ist. Ich war schon seit langen Jahren nicht
mehr in Italien und bestimmt genauso lange nicht mehr in dieser
Art Restaurant. Und von dieser Seite aus betrachtet ergibt das
sogar eine gewisse Symmetrie...
Nachdem der Magen nun provisorisch gestopft ist und von dieser
Seite her keine Beschwerden mehr kommen, schlendern wir ein erstes
Mal durch die Strassen und Gassen dieser Stadt. Ein melancholischer
Traum in Ziegelrot. Die Spätnachmittagssonne giesst nochmals
eine Ladung Extra-Rot über die Fassaden der Häuser.
Im Gegensatz zu anderen italienischen Städten fehlen hier
die lärmenden Mopeds und Autos - Ferrara ist eine Radfahrerstadt.
Bei genauer Betrachtung würde ich sogar sagen: es ist Klapprad-Wunderland!
Jedenfalls weiss ich jetzt, wo all die Klappräder der 70er
Jahre geblieben sind...irgendwann hat sie entweder jemand bei
uns eingesammelt und nach Ferrara verschifft, oder sie haben auf
andere geheimnisvolle Weise hier überlebt, so wie wir uns
vorstellen mögen, dass es auf einer geheimen Südseeinsel
noch einige Exemplare von Drachen und Riesenechsen geben mag...
Jedenfalls ist hier das Klischee der schicken Ragazza auf der
Vespa durch das Bild der schicken Ragazza auf dem Velo ersetzt
worden.
Abends ziehen wir etwas orientierungslos durch die Gegend, bis
wir endlich ein Restaurant finden. Denn alles, was sich nachmittags
als Gaststätte gezeigt hat, entpuppt sich abends entweder
als Gelateria oder als Bar...so ist im Nachhinein unser kulinarischer
Ausrutscher vom Nachmittag nochmals gerechtfertigt. Immerhin
tun wir die Enoteca auf, vor der wir jetzt vier Abende lang unseren
Apéro trinken werden...
Buona Notte!
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Dienstag, 11. Oktober 2005
Was läuft heute nach dem für italienische Verhältnisse
üppigem Frühstück? Na? Sightseeing resp. Shopping!
Irgendwie braucht man(n) neben Trikots und Radlerhosen auch mal
was "Anständiges" zum Anziehen. So streunen wir an
diesem Morgen sowohl stadt- als auch schaufensterbesichtigend durch
die Strassen und landen zum Beispiel neben den Boutiquen auch in
einem traditionellen Bekleidungsgeschäft für ältere
Herrschaften.Während Margrit suchend durch den Laden streift,
beobachte ich zwei wirklich sehr alte und recht gebrechlich wirkende
Damen, die aber beim Anprobieren von Wintermänteln vor dem
Spiegel urplötzlich grazil und elegant wie Ballettänzerinnen
wirken und die Jahrzehnten von sich abstreifen - man möcht's
nicht glauben! Und nebenan nimmt eine füllige Matrone einen
ganzen Schwung Cordhosen für ihren Mann zum Probieren mit nach
Hause. Der Gatte mag das Procedere im Laden wohl auch nicht so gerne?
Draussen jedoch tönt irgendwas aus einem grossen Lautsprecher,
der auf dem Dach eines Autos montiert ist. Das ruft spontan Kindheitserinnerungen
bei mir wach, denn so hat man damals bei uns im Ort zum Blut spenden
aufgerufen.
Zeit für einen Cappuccino. Margrit behauptet, dass es einen
bestimmten italienischen Männertypus gibt, dem ein Kahlkopf
oder ganz kurzgeschorenes Haar hervorragend passt. Dazu muss ich
passen. Ich wiederum möchte die - jedoch keinesfalls wissenschaftlich
belegte - These aufstellen, dass die Italienerin auf offener Strasse
nicht lächeln darf. Im Gegenteil: der Mund muss fest zusammengepresst
und die Mundwinkel etwas nach unten gezogen werden, damit man arrogant,
gestresst, genervt oder einfach irgendwie wichtig wirkt. Und das
alles bei Sonnenbrillen bewehrtem Gesicht. Ausserdem hat der ferraresische
Veloreifen fast platt zu sein - zumindestens der hintere. Und der
Abstand zwischen Sattel und Pedal hat möglichst gering zu sein
und der gewählte Gang recht schwer. Hat hier niemand Knieprobleme?
Neben dem Klapprad hat hier übrigens auch das Hollandrad Hochkonjunktur.
Doch, jetzt hat grad eine Italienerin gelächelt! Sogar eine
recht hübsche! Aber sind es nicht die Ausnahmen, die die Regel
bestätigen? Eines ist jedoch sicher: Mitte Oktober kann man
hier prima leicht bekleidet heraussen sitzen!
Wir besuchen die aktuelle Kunstausstellung im Castello Estense.
Ich tu mich immer schwerer, die Arbeit anderer Leute zu beurteilen
und einzuordnen. Mir gefällt oft nur mehr das, was sich nicht
auf den ersten Blick erschliesst und möglichst atmosphärisch
und vielschichtig ist. Hier sind es die Arbeiten einer Künstlerin
aus Florenz. Die weiterführende Frage ist bei mir dann natürlich
immer die nach meiner eigenen Arbeit. Was produziere ich eigentlich
für Zeugs? Ist das Kunst? Ich tu im Prinzip ja nichts anderes,
als mein Innenleben nach aussen zu stülpen. Solche Gedanken
laufen aber spätestens dann ins Leere, als wir nach vielen
gelaufenen Meilen über rundes Kopfsteinpflaster an einem weiträumigen
Friedhofsarreal landen und all die unzähligen Grabsteine mit
ihren Inschriften betrachten.Tja...das Menschenleben...wie bedeutend
oder unbedeutend es ist, möge es dreissig, fünzig, siebzig
oder mehr Jahre dauern...
Abends ein erstes Treffen und Beschnuppern mit Paola, dann ein Apéro
in "unserer" Enoteca von gestern und schliesslich landen
wir in einem Restaurant, dass uns Paola empfohlen hat: die Hostaria
Savonarola. Sehr empfehlenswert! Ferrareser Spezialitäten!
Hier tun wir uns ein bisserl schwer mit der Speisekarte, weil wir
selber der italienischen Sprache nicht mächtig sind und man
hier kaum englisch spricht. Wir bestellen also mehr oder minder
auf Verdacht und bereuen es nicht. Nur mit dem Wein haben wir kein
glückliches Händchen: Lambrusco schmeckt uns einfach nicht.
Am Nebentisch schlägt man sich auch so gut es geht: ein Ehepaar
aus den Staaten versucht sich ebenfalls mehr oder minder blind an
der Speisekarte. Im Laufe des Abends kommen wir miteinander ins
Gespräch und verabschieden uns spontan und aus einer Laune
heraus zu einem gemeinsamen Dinner am nächsten Tag am selben
Ort... mal sehen...
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Mittwoch, 12. Oktober 2005
Aber hallo...heute Nacht haben wir kaum geschlafen - es war eine
Stechmückennacht! Wer rechnet denn nun mit sowas? Mitten im
Oktober, mitten in der Stadt? Da nutzt freilich auch die schönste
Unterkunft nichts. Jedenfalls bekommen wir nachts kaum ein Auge
zu. Zudem ist auf der Piazza fast die ganze Nacht hindurch immer
wieder mal was los, obwohl die Trottoirs eigentlich recht früh
hochgeklappt wurden, und das sorgt gleichfalls für eine gewisse
Unruhe. Ich beobachte zwei ziemlich angetrunkene Männer, die
so um vier Uhr herum laut gestikulierend und mit jeweils einer Flasche
in der Hand die Piazza entlang wanken. Plötzlich bleibt einer
der beiden stehen, nimmt einen letzten Schluck aus der Flasche,
biegt ab und torkelt die gut 20 Meter zum nächsten Papierkorb,
wo er die leere Flasche vorbildlich entsorgt. Das immerhin...
Um 7 Uhr wollten wir eigentlich aufstehen, um nach dem Frühstück
den Zug nach Venedig zu erwischen. Ein Besuch in der Lagunenstadt
bietet sich ja wirklich an, es sind nur etwa 1 1/2 Stunden mit dem
Zug. Aber der Körper verlangt jetzt nur nach einem...und zwar
nach einer Mütze voll Schlaf! Venedig wird also kurzerhand
verschoben!
Man sieht uns also erst am späten Vormittag mehr oder minder
gerädert aus unserem Schlupfloch kriechen. Der Ruf "Dottore...Dottooooreee"
hallt auch heute wieder durch die Strassen (ist uns gestern schon
aufgefallen) und eine Menschentraube sammelt sich um einen jungen
Erwachsenen, der wiederum einen stilisierten Lorbeerkranz um das
Haupt gewunden hat. Hier feiern wohl einige ihr Diplom oder ihren
Universitätsabschluss? Und die ganze Familie und der Freundeskreis
feiert mit?
Wir spazieren auf der noch halbwegs erhaltenen Stadtmauer entlang,
saugen die Sonne und das Grün der Parkanlage auf und gestehen
uns grad ein, dass wir uns bei diesem schönen Wetter eigentlich
lieber eine andere Art Urlaub gegönnt hätten. Irgendwas
mit Natur und so. Und nicht zwischen den Häuserzeilen und Mauern
herumschleichen. So überlegen wir, ob wir nicht heute schon
nach Hause fahren und in Zürich dann noch für ein paar
Tage mit dem Velo losziehen. Aber als wir so abwägen und argumentieren,
finden wir einen sehr idyllischen grünen Innenhof mit einer
Bar, ein bisserl alternativ, ein bisserl wie Onkel Toms Hütte,
und schon bessert sich unsere Laune wieder. Das "stille Örtchen"
befinden sich hinter dem Palazzo Schifanoia. "Schifanoia"
ist nicht etwa eine ansteckende Krankheit, sondern kommt von "schivar
la noja" - sich die Langeweile vertreiben. Und das trifft momentan
auch bei uns des Pudels Kern. Auch hier hört man ein begeistertes
"Dottooooooreeeee", lautstark skandiert wie den Namen
eines Fussballvereines, und neben der Bar hat man im Grünen
ein paar Tische und Bänke aufgebaut, wo man grad das zukunftsweisende
Ereignis feiert. Allerdings hat die Absolventin hier den Lorbeerkranz
nicht um ihr Haupt, sondern um den rechten Oberschenkel gewunden.
Was das nun wieder bedeuten soll?
Mittagessen auf der Piazza. Eine englisch-sprachige Reisegruppe
wird durch das Restaurant geschleust. Alle sind steinalt, keiner
kann sich verständigen, das Essen ist nicht so wie sie es gewohnt
sind. Die Kellner sind mit der Invasion ebenfalls überfordert.
Und während auf der Strasse sogar die Polizei auf Klapprädern
vorbei pedaliert, wir uns zur Feier der glücklich überstandenen
Nacht schon mittags ein Gläschen Roten gönnen (und feine
Tagliatelle noch dazu), beobachte ich amüsiert das soeben geschilderte
Schauspiel. Ich hab auch eine schadenfrohe Ader. Irgendwie, irgendwo...
Siesta.
Abends dann schick machen für unsere neuen Bekannten aus Washington
D.C. Es wird einer dieser Diskussionsabende, an dem vier Menschen
aus drei verschiedenen Kulturkreisen feststellen, dass zwar sehr
wohl Unterschiede in der jeweiligen Mentalität vorhanden sind,
aber man sich über die wesentlichen Dinge des Lebens sehr wohl
sehr gut verständigen kann. Ich geniesse den Abend sogar in
dem Moment, als ich auf einmal die Goldfüllung einer meiner
reparierten Backenzähne auf der Zunge spüre und aufpassen
muss, dass ich das Stück nicht verschlucke. Sieht so aus, als
ob ich meinen Zahnarzt demnächst wieder mal sehen werde...
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Donnerstag, 13. Oktober 2005
Eine Stechmückennacht. Unten auf der Piazza steigt bis um 4 Uhr
früh eine Party (...Dottooooreeeee...), kurz nach vier kommt
dann die Strassenreinigung mit ihrem Gefährt und beseitigt lautstark
die Spuren. Trotzdem: heute fahren wir nach Venedig! Zwar mit dem
späteren Zug, aber immerhin! Die Po-Ebene liegt träge in
der Vormittagssonne, wir sind auch nicht viel wacher und so dösen
wir vor uns hin, bis wir endlich die ersten Blicke auf die Lagune
erhaschen - die Reussen der Fischer vor den Kränen der Hafenanlagen.
Seit mehr als einem Jahrzehnt war ich nun nicht mehr in dieser Stadt
und unweigerlich ist man erstaunt, dass sie immer noch steht. Hat
sich was verändert? Ich weiss es nicht. Es kommt mir so vor,
als ob man mehr Baugerüste sehen würde, aber das kann auch
täuschen. Nachwievor fasziniert der Kontrast zwischen augenscheinlichem
Verfall und der Morbidität und der wunderbaren Architektur und
dem Gesamtambiente. Allein der Dogenpalast auf dem Markusplatz ist
ein ästhetisches Meisterwerk!
Nachdem wir uns durch die überfüllten Gassen haben schieben
lassen, sitzen wir auf dem Markusplatz in einem Strassencafé
und beobachten das Treiben ringsum. Es spielt eine kleine Kapelle
den "Entertainer" und andere Evergreens und so mancher der
vorbei flanierenden Touristen fühlt sich zu einem Tanzschritt
animiert. Unser Eis und die zwei Cappucini samt Zuschlag für
die Bedienung und Obulus für die Musik schlagen mit sage und
schreibe 60 Euro zu Buche...das kann man sich auch mal auf der Zunge
zergehen lassen... Wenigstens war der Kellner nett. Ich meine: wirklich!
Eigentlich ein schöner Tagesausflug. Zu kurz natürlich.
Aber da hier gerade noch die Nachwirkungen der Biennale zu spüren
sind, war es unmöglich, ein halbwegs bezahlbares Zimmer zu bekommen.
Also eben nur diese paar Stunden Tagesausflug. Die Blicke auf den
Lido und das glitzernde Wasser schüren Sehnsucht und Melancholie.
Jetzt irgendwo länger am Wasser sein können, irgendwo, wo
man den ganzen Abend lang der wandernden Sonne und dem Wechsel der
Farben zusehen könnte...der Bodensee würde mir reichen...sogar...
Abends landen wir erneut im Savonarola. Empfehlenswertes Restaurant,
falls ich das noch nicht erwähnte...
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Freitag, 14. Oktober 2005
Heute weckt uns ein kakophonisches Durcheinander von Weckdienst,
Handy und Reisewecker. Das kommt davon, wenn man niemanden über
den Weg traut...Fahrt im Halbschlaf mit dem Taxi zum Bahnhof. Not-Cappucino
in der Bahnhofskneipe. Tingelei mit dem Pendlerzug nach Bologna.
Und der Afrikaner neben mir kann wohl auch bei diesem Gerüttel
schlafen.
Und das Mädel vis-à-vis sieht aus wie eine junge Ausgabe
der Pretenders-Sängerin Chrissie Hynde...Back on the Chain
Gang...gleiche Frisur, die Augen unter dem Pony verborgen, die gleiche
schlacksige Figur.
Und der Herr nebenan muss trotz ultradicker Brillengläser sein
Buch ganz dicht vor's Gesicht halten. Was der wohl arbeitet?
Und draussen vor den Zugfenstern geht die Sonne blutrot über
der Ebene auf.
Und in Bologna folgen wir der Eingabe des Augenblicks und steigen
in einen früheren Zug nach Mailand ein, denn unserer hat Verspätung.
Draussen gleiten vorbei: Modena, Parma, Piacenza.
Und auch dieser Zug fährt noch eine saftige Verspätung
heraus und wir kommen gerade noch rechtzeitig an, um unseren Cisalpino
zurück nach Zürich zu erreichen...
Und um 15 Uhr sind wir zuhause...
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